Dienstag, 19. September 2006

Ein Klagelied...

Liebes Tagebuch,
Vor einigen Wochen hat mich eine Freundin (die Nora) auf eine sehr interessante Möglichkeit aufmerksam gemacht, wie ich in kürzester Zeit an eine Menge Kohle rankäme. Es ging um eine Anzeige von "Profil" - dem Institut für Stoffwechselforschung:

"Diabetiker werden gesucht. Aufwandsentschädigung bis zu 6600 Euro"

Habe mich natürlich sofort angemeldet und als Proband beworben. "Profil" ist ein Forschungszentrum in Neuss, dass regelmäßig klinische Studien zur Entwicklung von neuen Medikamenten und Substanzen im Bereich Diabetes durchführt.
Im Bewerbungsbogen musste ich neben den üblichen Personalien hauptsächlich Daten bezüglich meiner Gesundheit machen. Gewicht, Größe, diverse Blutwerte und den Kram den ich so konsumiere. Auf jeden Fall wurde ich genommen und in die Profil-Datenbank eingetragen. Ich war also tauglich (durch die eigentliche Untauglichkeit die mich bereits vorm Bund rettete).
Ein paar Tage später hat mich dann ein Anruf dieses Ladens erreicht und mir wurde mitgeteilt, dass mein Profil auf eines ihrer Experimente passen würde.
Es liefen wohl auch andere Studien, für die senile, alte Männer gesucht wurden, welche sich am Tag wenigstens 80 Zigaretten durchziehen und keine Beine mehr haben. Aber mein Profil war ja anders...!
Man brauchte mich für einen ambulanten und für 3 stationäre Aufenthalte von je zweieinhalb Tagen. 30 Stunden wär ich jeweils an eine Maschine angeschlossen worden, die mir den Blutzucker reguliert und den Rest der Zeit hätte man nur zur Beobachtung gebraucht. Knapp viereinhalbtausend Euro wären für mich drin gewesen.
Ich mein was sind schon aufgerundet 10 Tage, wenn ich dafür als Schüler aufgerundet 5000 Euro klar machen kann?
Vor allem, wenn ich mich die komplette Zeit über frei bewegen, Besuch empfangen und mich im Grunde beschäftigen kann wie ich es will. Ich würde einfach lesen oder so. Nur eben mit den Kanülen im Arm.
Ich hatte es mir schon genau ausgemalt: Einen riesigen Stapel an neuen Klamotten wollte ich mir holen. Musik, Bücher und vielleicht 'ne neue anständige Anlage. Und ich wäre von meinem Schuldenberg runter...
naja, zumindest aus dem Gröbsten raus... :) (Nein, so verschuldet bin ich dann doch nicht, ich scherze nur - Haha).
Um das Geld "einzuweihen", würde ich erstmal für 100 Euro essen gehen. Vielleicht im Fernsehturm in Düsseldorf. Soll sehr gut sein.
Ich hätte Nora als Dankeschön für ihre Aufmerksamkeit einladen können. (Ein Urlaub wär doch angebrachter, kam uns dann in den Sinn.)
Ich hätte ein Leben in Saus und Braus geführt und ich hätte es verdient.
Ich habe alles Erdenkliche in die Wege geleitet um das Ganze zu verwirklichen. Ich war bei meiner Ärztin, die die beiden Gründer dieser Einrichtung persönlich kennt und habe mich erkundigt. Das Profil sei wohl 'ne ganz seriöse Sache, bei der nichts passieren könne. Sämtliche internationalen, pharmazeutischen Unternehmen seien dort Kunde und die Bezahlung sei auch gut (was ja für mich nicht neu war).
Außerdem bin ich bei der Direktorin meiner Schule gewesen um das Problem der anfallenden Fehlstunden zu lösen. Normalerweise hätte ich 'scheiß drauf' gesagt, 'als ob ich was verpassen würde', aber da dies nicht das erste mal gewesen wäre, dass ich mir sowas sage und ich Attestpflicht habe, musste ich mich eben darum kümmern. Ich bin also bei Frau W. gewesen und hab ihr den Antrag ihres Lebens abgeliefert. Sprachlich sowie inhaltlich ein Musterbeispiel an Sauberkeit und Wortgewandtheit. Von Geld und Aufwandsentschädigung war darin nicht die Rede. Ich habe ihr geschildert wie ich an Laborwerte gelangen würde, die ich sonst nicht erhielte. Was dieses Projekt für eine einzigartige Möglichkeit für mich bietet. Außerdem wollte ich die Forschung ja aktiv, zum Wohle anderer Diabetiker unterstützen. Ich hätte meinen ganz persönlichen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung geleistet und einen Meilenstein in Bezug auf neue therapeutische Möglichkeiten gesetzt. Ich hätte einfach was Gutes getan und das lies ich Frau W. wissen. Ich habe ihr all die Dinge aufgezählt, für die ich in einem amerikanischen B-Movie wahrscheinlich geehrt worden wäre, wenn ich bei dieser Mission umgekommen gefallen wäre.
Fand Frau W. dann auch genauso vorbildlich wie ich. Schließlich hätte ich während der Studie mehr als genug Zeit gehabt, um den versäumten Unterricht wieder aufzuarbeiten. Sehr heuchlerisch von mir, ich weiß aber für mehr als 4000 € tut man doch so einiges, oder um es im Fachjargon auszudrücken: Da scheiß ich auch mal auf meine Ideale...
Jedenfalls lief bis zu diesem Zeitpunkt alles nach Plan.
Bis mich dann ein erneuter Anruf ereilte, bei dem man mir mitteilte, dass die Studienphasen um ein paar Tage verschoben werden. Sonst ändere sich nichts.
War ziemlich ärgerlich. Ich wartete den ganzen Tag auf diesen Anruf, um noch die letzten paar Dinge zu organisieren und die genaue Uhrzeit für die Voruntersuchung auszuhandeln (wollte dort nicht allzu früh am Morgen auftauchen). Und dann sowas. Ich konnte an den anderen Tagen nicht, ich musste Klausuren schreiben. Klasse.

'Tut uns leid wegen der Unannehmlichkeiten, die sie wegen dieses Projektes schon in Kauf nehmen mussten. Vielleicht klappt es für Sie bei einem der kommenden Projekte, uns zu unterstützen.'

Unterstützen! Pah! Jetzt fang Du nicht auch noch an...

'Ich gehöre für gewöhnlich wirklich nicht zu der Sorte Mensch, die sich gerne überschwenglichen Rachegefühlen hingibt.
Wenn man aber das Profilinstitut in einer Person manifestieren könnte, und diese Person jämmerlich verrecken würde, so würde ich mit unendlicher Genugtuung auf deren Grab tanzen.' (Screwtape's)

Kann man aber nicht...also warte ich auf den nächsten Anruf!

5 Kommentare:

  1. :-( Hatte die Geschichte ja schon gehört. Sehr sehr schade!

    Aber cool geschrieben, der Eintrag!

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  2. Der geilste Blogeintrag seit langem!


    Wobei... nee... Die 4000 Euro hätte ich Dir gegönnt und mir auch, denn Du würdest mich ja daran Teil haben lassen, was?

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  3. Sicher Alex. An Dich hatte ich als erstes gedacht...das bin ich Dir einfach schuldig!
    Kannst Du mir schonmal Deine Bankdaten schicken? Eine Überweisung finde ich da besonders passend...

    Danke Tró für Deine Werbung! Und danke nochmal für den Anruf gestern..

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  4. Wooaa!
    Da kriegt der faulste wieder die geilsten Jobs.
    Echt cool :-)

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  5. Wie wärs wenn ich diesen beitrag mal an das Profil sende?
    Drucken sie sicher im nächsten prospekt ab :))

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